Unnötiges Tabuthema: Stuhlinkontinenz ist vielfach behandelbar

Mehr zu den Themen Stuhlinkontinenz, Behandlungsansätze, Beckenbodenschwäche, Schließmuskel
  • Autor: 
  • Artikel: 09.10.2014

Anzeigen

Menschen, die die Ausscheidung ihres Stuhls nicht bewusst kontrollieren können, schämen sich meist und versuchen, ihr Leiden vor anderen zu verbergen. Doch ein Besuch beim Haus- oder Facharzt kann vielfach dazu beitragen, die Störung wirksam zu behandeln.

Es wird geschätzt, dass fünf Millionen Menschen in Deutschland Probleme damit haben, die Ausscheidung ihres Stuhls bewusst zu kontrollieren. Gründe dafür können eine Beckenbodenschwäche – zum Beispiel nach Geburten – oder ein Schlaganfall sein. Zum Teil bemerken die Betroffenen den Stuhldrang nicht, zum Teil können sie ihren Stuhl nicht lange genug zurückhalten, um eine Toilette zu erreichen. Ältere Menschen sind von der Störung häufiger betroffen als Jüngere. So zeigt eine Untersuchung aus den USA, dass 15 Prozent der über 70-Jährigen unter Stuhlinkontinenz leiden.

Viele Betroffene verheimlichen ihr Problem und haben Hemmungen, mit einem Arzt darüber zu sprechen. Das führt dazu, dass sie viele Situationen vermeiden und sich vor anderen Menschen zurückziehen. Teilweise wird die Störung fälschlich als „Durchfall“ bezeichnet, was dann zu falschen Behandlungsansätzen führen kann.

Betroffene sollten mit ihrem Arzt über das Problem sprechen

„Dabei gibt es für die meisten Patienten langfristig wirksame Hilfen“, betont Peter Layer, Direktor der Medizinischen Klinik am Israelitischen Krankenhaus in Hamburg und Beirat der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS). Der erste wichtige Schritt sei ein offenes Gespräch mit dem Hausarzt. Dieser kann den Patienten, wenn notwendig, an einen Facharzt überweisen – meist an einen Magen-Darm-Spezialisten (Gastroenterologen).

Der Facharzt kann den Schließmuskel untersuchen und mithilfe von Ultraschall oder einer Darmspiegelung feststellen, ob eine chronische Darmerkrankung vorliegt. Anschließend lässt sich die am besten geeignete Therapiemethode ableiten. „Eine häufig Ursache ist eine Schwächung der Beckenbodenmuskulatur“, erläutert Layer. Diese Muskeln, die die Ausgänge von Blase und Darm „dicht halten“, können geschwächt oder durch Geburten oder Operationen beeinträchtigt sein. Andererseits kann nach Schlaganfällen oder bei Diabetes die Nervenwahrnehmung am Darmausgang so stark abgeschwächt sein, so dass die Betroffenen den Stuhldrang nicht mehr bemerken.

Bei der Behandlung lassen sich Beckenboden und Schließmuskeln durch gymnastische Übungen trainieren. Biofeedback kann den Trainingseffekt verstärken: Hierbei misst der Arzt mithilfe einer Sonde im After die Spannung der Beckenbodenmuskulatur und meldet diese an den Patienten zurück. „Patienten bekommen so ein besseres Gespür für ihre Muskulatur“, sagt Layer. „Fast 80 Prozent der Behandelten lernen, den Schließmuskel wieder zu kontrollieren.“

Zudem hilft vielen Patienten eine Umstellung der Ernährung: Bei einem Viertel kann so die Stuhlinkontinenz gelindert werden. „Eine ballaststoffreiche Ernährung erhöht Volumen und Konsistenz des Stuhls, so dass dieser nicht mehr so leicht austreten kann“, erläutert Layer. Medikamente, die den Stuhl fester machen oder die Darmaktivität verringern, können diesen Effekt verstärken.

Helfen diese Therapieansätze nicht, kann eine Operation sinnvoll sein. So kann nach einem Dammriss der defekte Schließmuskel operativ korrigiert werden. Schließlich gibt es noch die Möglichkeit der so genannten sakralen Nervenstimulation: Hierbei werden Elektroden am Darmausgang eingesetzt, die den Schließmuskel stimulieren.

Quellen:

Rao, S. S. (2014). Current and Emerging Treatment Options for Fecal Incontinence. Journal of Clinical Gastroenterology, Oktober 2014, Band 48 (9), S. 752-764

Themen Stuhlinkontinenz, Behandlungsansätze, Beckenbodenschwäche, Schließmuskel

Gesundheitsfragen zum Thema

Stellen Sie hier Ihre individuelle Gesundheitsfrage