Bestimmte Umwelteinflüsse wie Nahrungsbestandteile, Viren oder Bakterien können das empfindliche Gleichgewicht des Darm stören und zusammen mit genetischen Einflüssen zu Entzündungen führen, die sich als chronisch-entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa äußern. Typische Symptome sind chronischer Durchfall, Fieber und Schmerzen sowie psychische Belastungen. Etwa 350.000 Menschen in Deutschland sind von solchen Erkrankungen betroffen.
Ein Bestandteil der Darmzellen, der auf belastende Umwelteinflüsse (Umweltstressoren) besonders sensibel reagiert, ist das endoplasmatische Retikulum (ER), in dem für die Zelle notwendige Proteine hergestellt werden. In bisherigen Studien wurde bereits gezeigt, dass eine Störung des endoplasmatischen Retikulums, der so genannte ER-Stress, bei der Entstehung von chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen eine wichtige Rolle spielt. Die Störung führt dabei zur Bildung von entzündlichen Botenstoffen und zum Zelltod, was zu einer gestörten Barrierefunktion des Darms beiträgt.
Schutzbarriere der Darmschleimhaut wird verstärkt
Die neue Untersuchung, die unter Leitung von Richard Blumberg vom Brigham and Women’s Hospital an der Harvard Medical School (USA) an Modellen mit Mäusen durchgeführt wurde, zeigt erstmals, dass ER-Stress bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen auch positive Effekte haben kann: Er bewirkt, dass bestimmte Abwehrzellen aus der Bauchhöhle in die Darmschleimhaut übergehen und dort zur Produktion von Antikörpern vom Typ Immunoglobulin A (IgA) beitragen. IgA-Antikörper bilden im Darm eine Art Schutzfilm, der die Schutzbarriere der Darmschleimhaut verstärkt und so vor einer überschießenden Entzündungsreaktionen schützt. An der Studie waren neben Forschern der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) und des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH) auch Wissenschaftler aus der Schweiz, den Niederlanden und Japan beteiligt.
Die Wissenschaftler hoffen, dass die neuen Ergebnisse in Zukunft für die Entwicklung neuer Behandlungsansätze bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen genutzt werden können. „Die Arbeiten zeigen, dass zelluläre Stressreaktionen im Darm eben auch positive Wirkungen haben können“, sagt Philip Rosenstiel vom Institut für Klinische Molekularbiologie an der CAU, einer der Ko-Autoren der Studie. Eine entscheidende Frage für die weitere Forschung sei, beim Menschen zu verstehen, wann die Balance von Schutzfunktion in Schaden umschlage. „Wenn wir diesen Punkt, der wahrscheinlich früh bei der Entstehung der Krankheit auftritt, besser verstehen, lassen sich hierdurch möglicherweise ganz neue Behandlungsmöglichkeiten ableiten“, betont Rosenstiel.
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