Pflegende Angehörige in prekären Situationen

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  • Artikel: 18.01.2019

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In Deutschland gibt es rund 3,5 Millionen pflegebedürftige Menschen. Viele von ihnen werden zuhause versorgt – von Angehörigen und zum Teil mit Unterstützung ambulanter Dienste. In Nordrhein-Westfalen ist dies bei 80 Prozent der Pflegebedürftigen der Fall. Eine Studie von Wissenschaftlern der TH Köln, der Universität Duisburg-Essen und der Fachhochschule Bielefeld ging nun der Frage nach, wie pflegende Angehörige ihren Alltag bewältigen und mit welchen Strategien sie mit der Pflegetätigkeit zurechtkommen. Die Ergebnisse zeigen, wie wichtig Unterstützungsangebote der Gemeinden sind.

Ziel der Studie war es, herauszufinden, welchen Einfluss verschiedene Faktoren wie Geschlecht, Einkommen oder Bildung darauf haben, wie Angehörige die Pflege gestalten. Dazu führten die Wissenschaftler insgesamt 20 Interviews mit deutschen und türkischstämmigen Personen durch. Diese pflegten ein Eltern- oder Schwiegerelternteil ab Pflegegrad 3, also mit schweren körperlichen Beeinträchtigungen, oder mit einer fortgeschrittenen Demenz. „Dabei ging es nicht darum, die Effektivität der Pflege der Kinder und Schwiegerkinder zu bewerten, sondern ausschließlich um die Frage, wie sorgende Angehörige mit ihrem Pflegealltag zurechtkommen, was ihnen bei der Bewältigung frühzeitig hilft und was fehlt“, sagt Diana Auth von der Fachhochschule Bielefeld, die Erstautorin der Studie.

Fünf Typen von pflegenden Angehörigen

Bei ihrer Auswertung identifizierten die Forscher fünf Typen von Angehörigen, die die verschiedenen Aufgaben bei der Pflege aufgrund ihrer Lebenssituation unterschiedlich bewältigen. Die erste Gruppe hat die finanziellen Möglichkeiten, um sich zusätzliche Hilfe zu holen. Die zweite Gruppe kann auf ein gutes familiäres Netzwerk zurückgreifen. Eine dritte Gruppe ist nicht oder nur teilweise berufstätig und sieht die Pflege eines Angehörigen als sinnstiftende Aufgabe oder als Phase, die zum Leben dazugehört. „Diesen Menschen gelingt es über einen langen Zeitraum hinweg, die Pflege als Lebensentwurf anzunehmen“, erläutert Sigrid Leitner von der TH Köln, eine der Studienautorinnen. „Allerdings sind sie langfristig latent von Burn-out bedroht, wenn sie das über Jahre ohne Hilfe oder Auszeiten alleine machen.“

Weiterhin gab es auch zwei Gruppen, bei denen die Bewältigung der Pflege als gefährdet eingestuft wurde. Die Personen der einen Gruppe fühlen sich zur Pflege verpflichtet, weil sie keine Alternative haben – etwa ausreichende finanzielle Mittel oder Angehörige, die sie unterstützen könnten – oder weil die pflegebedürftige Person andere Alternativen ablehnt. Die Personen der letzten Gruppe stehen in einem ständigen Konflikt, weil ihre Wünsche nach Berufstätigkeit oder die Bedingungen ihres Jobs nur schwer mit der Pflegetätigkeit vereinbar sind. Die Betroffenen ringen damit, ihre eigene Lebensvorstellungen aufrecht erhalten zu können. Dabei beobachteten die Wissenschaftler insgesamt keine deutlichen Unterschiede zwischen Pflegenden mit und ohne Migrationshintergrund.

Damit Angehörige die Aufgabe der Pflege gut bewältigen können, ist es wichtig, dass sie ausreichend für sich selbst sorgen. Dabei sollten sie für persönliche Freiräume sorgen und sich gut über Hilfsangebote informieren. Gleichzeitig sei es wichtig, dass von den Gemeinden ausreichend Unterstützungsangebote bereitgestellt werden, betonen die Forscher. „Wir fordern von den Kommunen eine aufsuchende, individuelle Beratung und Begleitung in allen Pflegephasen für pflegende Angehörige am besten aus einer Hand“, sagt Simone Leiber von der Universität Duisburg-Essen und Ko-Autorin der Studie. „Damit sichern wir eine qualitativ hochwertige Versorgung der Pflegebedürftigen und vermeiden vorbeugend gesundheitsgefährdende Belastungen und Armutsrisiken der Pflegepersonen.“

Quelle:

Themen Belastung, Pflege, pflegende Angehörige, Unterstützungsangebote

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