Gesundheitkompakt Berlin – Magersucht oder Anorexia nervosa ist ein schwerwiegende psychische Erkrankung. Die Betroffenen – überwiegend Mädchen und junge Frauen – nehmen dabei häufig so stark ab, dass es zu gesundheitlichen Problemen und sogar zu Todesfällen kommt. „Unbehandelt sterben innerhalb von zehn Jahren etwa fünf von 100 Patienten“, betont Wolfgang Herzog, Direktor der Klinik für Allgemeine Innere Medizin und Psychosomatik an der Universität Heidelberg. Für die Erkrankung gibt es etwa 75 unterschiedliche Therapie-Ansätze – doch diese sind bisher nicht nach streng wissenschaftlichen Kriterien bewertet worden.
Nun hat ein Forscherteam um Herzog und Stephan Zipfel von der Universitätsklinik Tübingen erstmals drei unterschiedliche Psychotherapie-Formen bei Magersucht untersucht und ihre Effektivität verglichen. Die Untersuchung fand im Zeitraum von 2007 bis 2011 statt und umfasste 242 erwachsene Frauen mit Magersucht, die zu Beginn der Behandlung im Durchschnitt 46,5 Kilogramm wogen. Die Ergebnisse der Studie sind nun in der Fachzeitschrift „The Lancet“ erschienen.
Das Gewicht bessert sich deutlich und nachhaltig
Zu Beginn der Studie wurden die Patientinnen per Los in drei Gruppen aufgeteilt. Die erste Gruppe erhielt eine herkömmliche, intensive Psychotherapie, die beiden anderen zwei speziell für Anorexie entwickelte Therapieformen: Eine Variante der kognitiven Verhaltenstherapie und eine fokale psychodynamische Therapie. „Bei ersterer werden die Patientinnen zunächst über ihre Erkrankung aufgeklärt, danach erlernen sie spezielle Techniken, um ihr Essverhalten zu normalisieren“, erläutert Zipfel. Die fokale psychodynamische Therapie ist dagegen eine Weiterentwicklung der Psychoanalyse, die nach den tiefer liegenden Ursachen der Essstörung sucht – etwa den inneren Konflikten und emotionalen Auslösern der Erkrankung.
Alle drei Therapieformen dauerten neun Monate. Dabei wurde mithilfe von Therapie-Manualen sichergestellt, dass die Behandlungen auf einem hohen und vergleichbaren Standard durchgeführt wurden.
Dabei erwiesen sich alle drei Therapieformen als wirksam: In allen drei Gruppen nahmen die Frauen im Lauf der Therapie allmählich an Gewicht zu – und diese Erholung setzte sich auch nach Abschluss der Therapie fort. „Dabei nahmen Patientinnen in der Verhaltenstherapie-Gruppe während der Therapie schneller an Gewicht zu“, erläutert Herzog. „Bei der fokalen psychodynamischen Therapie besserten sich dagegen die Symptome auch nach Therapieende. Hier zeigten sich ein Jahr nach Ende der Behandlung die günstigsten Gesamtheilungsraten.“
Allerdings kam es nicht bei allen Patientinnen zu einer Besserung oder Heilung. Etwa ein Viertel litt auch ein Jahr nach Ende der Therapie an einer voll ausgeprägten Magersucht. Deshalb sei es wichtig, Warnzeichen für ein weiter sinkendes Körpergewicht rechtzeitig zu erkennen und zu behandeln, betonen die Forscher. gk/ca