In einer Pilotstudie verglich ein Team um Sally J. Rogers und Sally Ozonoff vom UC Davis Mind Institute in Sacramento (USA) Kinder mit einer Autismus-Spektrum-Störung (ASS), die ab dem sechsten Lebensmonat eine gezielte Therapie erhielten, mit Kindern, die erst später behandelt wurden. Unter ASS werden die verschiedenen Ausprägungen und Schweregrade einer autistischen Störung zusammengefasst. Die untersuchten Babys zeigten im Alter von sechs Monaten deutliche Auffälligkeiten, die für Autismus sprechen: zum Beispiel geringen Blickkontakt, wenig Interesse an anderen Menschen und wenig Kommunikation.
Sieben Kinder im Alter von sechs bis 15 Monaten erhielten sechs Monate lang eine spezielle Therapie, die auf dem „Early Start Denver Model“ beruht. Es vermittelt den Eltern, wie sie die Aufmerksamkeit, Kommunikation, das Spielverhalten und die frühe Sprachentwicklung ihres Babies am besten fördern können. So sollen sie zum Beispiel die Aufmerksamkeit des Kindes auf ihre Gesichter und Stimmen lenken oder Spielzeuge verwenden, die den Kontakt mit dem Spielpartner fördern.
In zwölf einstündigen Terminen vermittelten die Forscher den Eltern zunächst, wie sie die sozialen Fähigkeiten ihres Kindes gezielt fördern können. Anschließend wendeten die Eltern die Strategien sechs Monate lang selbst an. Dabei erhielten sie in den ersten sechs Wochen alle zwei Wochen einen unterstützenden Besuch von den Forschern. Eineinhalb und drei Jahre nach der Trainingsphase wurden die Fähigkeiten der Kinder erneut untersucht.
Auffälligkeiten durch frühes Training deutlich verringert
„Die meisten Kinder der Untersuchungsgruppe, nämlich sechs von sieben, hatten im Alter von zwei bis drei Jahren normale Lern- und Sprachfähigkeiten“, berichtet Rogers. Ein Vorteil der neuen Therapiemethode ist, dass sie nach der Trainingsphase von den Eltern allein durchgeführt werden kann. „Die Eltern verbringen den ganzen Tag mit ihren Babys“, sagt Rogers. „Sie können die vielen kleinen Momente beim Füttern, Wickeln oder Spielen nutzen, wie es niemand anderes kann.“
Die ersten Symptome von Autismus sind oft schon vor dem ersten Geburtstag erkennbar – die meisten Kinder mit ASS erhalten jedoch erst im Alter von drei bis vier Jahren eine Therapie. Die Ergebnisse der Studie machten deutlich, dass die Symptome von Autismus so früh wie möglich diagnostiziert und behandelt werden sollten, betonen Rogers und ihr Team. „In den meisten Ländern der Welt gibt es bisher keine Angebote, die autismus-spezifische Auffälligkeiten in einem sehr frühen Lebensalter untersuchen und behandeln“, sagt Ozonoff. Eine effektive Therapie könne jedoch dazu beitragen, dass die Betroffenen am alltäglichen Leben teilnehmen können, einen für sie geeigneten Beruf finden und zufriedenstellende zwischenmenschliche Beziehungen haben.
Quelle:
Sally J. Rogers et al. (2014). Autism treatment in the first year of life: A pilot study of Infant Start, a parent-implemented intervention for symptomatic infants. Journal of Autism and Developmental Disorders, Online-Ausgabe vom 9. September 2014.