Entkopplung von Zellen im Gehirn führt zu Epilepsie

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  • Artikel: 20.03.2015

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Forscher haben einen wichtigen Mechanismus bei der Entstehung einer schwer behandelbaren Form der Epilepsie entdeckt: Wenn bestimmte Zellen im Gehirn voneinander entkoppelt werden, kommt es zu einer Anreicherung von Kaliumionen, die zu Übererregbarkeit der Nervenzellen und so zur Entstehung eines Anfalls führt. Das Ergebnis könnte zur Entwicklung neuer Therapieformen beitragen.

Rund zwei Prozent der Bevölkerung sind von einer Epilepsie betroffen – und etwa ein Drittel von ihnen leidet unter Formen, die mit Medikamenten schwer zu behandeln sind. Bei einer bestimmten Form des Anfallsleidens, der so genannten Schläfenlappen-Epilepsie, ist der Anteil therapieresistenter Patienten sogar deutlich höher.

Nun hat ein Forscherteam um Christian Steinhäuser vom Institut für Zelluläre Neurowissenschaften der Universität Bonn einen neuen Entstehungsmechanismus der Schläfenlappenepilepsie entdeckt: In einem frühen Stadium werden Astrozyten – bestimmte Gliazellen, die mit den Nervenzellen im Gehirn zusammenarbeiten – voneinander entkoppelt. Dadurch kommt es zu einer Anreicherung von Kaliumionen und Botenstoffen, die zur typischen Übererregbarkeit der Nervenzellen führt. Über die Ergebnisse der Studie, die in Zusammenarbeit mit Neurochirurgen am Universitätsklinikum Bonn und Epileptologen am Universitätsklinikum Freiburg durchgeführt wurde, berichten die Forscher in der Fachzeitschrift „Brain“ (Online-Ausgabe vom 16. März).

Nicht nur Nervenzellen, sondern auch „Stützzellen“ im Gehirn begünstigen Anfälle

„Trotz immenser Anstrengungen in der Forschung sind die Ursachen der Epilepsie noch immer weitgehend unklar“, sagt Steinhäuser. „Die Epilepsie-Forschung ist dabei dominiert von der Annahme, dass veränderte Eigenschaften von Nervenzellen Epilepsie verursachen.“ Mit ihrem neuen Ansatz wiesen Steinhäuser und sein Team jedoch nun nach, dass Fehlfunktionen von Gliazellen bei der Entstehung von Epilepsien eine wichtige Rolle spielen.

Sie analysierten das Hirngewebe von Patienten mit Schläfenlappenepilepsie, dass zur Verringerung der Anfallsaktivität per Operation entfernt wurde. Dabei beobachteten die Forscher, dass Astrozyten in diesem Gewebe komplett fehlten. „Damit können auch keine funktionellen Netzwerke durch Kopplung der Astrozyten untereinander mehr ausgebildet werden“, sagt Peter Bedner, Erstautor der Studie. Durch die fehlenden Netzwerke können sich im Gewebe Kaliumionen und Botenstoffe wie Glutamat anreichern, die für die Signalübertragung wichtig sind. Dies führt zur Übererregbarkeit der betroffenen Nervenzellen und schließlich zu epileptischen Anfällen.

Weiterhin untersuchten Steinhäuser und sein Team bei Mäusen, die typische Merkmale für eine Schläfenlappenepilepsie besaßen, ob der Verlust der Astrozyten-Koppelung die Ursache für Epilepsie oder eine Folge der Übererregbarkeit ist. „In diesem Modell konnten wir zeigen, dass bei der Entstehung der Epilepsie zuerst die Kopplung zwischen den Astrozyten verloren geht und Veränderungen in den Neuronen erst später stattfinden“, erläutert Steinhäuser.

Die Wissenschaftler vermuten, dass die Entkopplung durch Entzündungen entsteht, bei denen so genannte Zytokine eine Rolle spielen. Diese werden im Gehirn durch aktivierte Mikrogliazellen oder Astrozyten ausgeschüttet.

„Wir konnten zeigen, dass die Entkopplung – zumindest im frühen Stadium der Epilepsie – rückgängig gemacht werden kann“, sagt Steinhäuser. Nun hoffen die Wissenschaftler, dass ihre Ergebnisse Ansatzpunkte für neue Therapien ermöglichen, die eine effektivere Behandlung der Schläfenlappenepilepsie ermöglichen.

Quelle:

Themen Epilepsie, Entstehungsmechanismen, Gliazellen, Astrozyten, Übererregbarkeit

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