Bisher ist noch nicht vollständig geklärt, welche Rolle Autoantikörper bei der Entstehung und beim Verlauf verschiedener Autoimmunerkrankungen spielen. Forschungsergebnisse weisen darauf hin, dass es im Körper ein Netzwerk von Autoantikörpern gibt, das fein aufeinander abgestimmt viele Prozesse im Körper reguliert und so beispielsweise Entzündungsvorgänge beeinflussen kann.
Ein Forscherteam um Gabriela Riemekasten von der Klinik für Rheumatologie und klinische Immunologie des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein (UKSH) in Lübeck konnte nun zeigen, dass dieses Netzwerk funktioneller Antikörper bei bestimmten Krankheiten gestört ist. Dies konnten die Wissenschaftler am Beispiel dreier sehr unterschiedlicher Krankheiten zeigen, nämlich der Alzheimer-Krankheit, Eierstockkrebs und der systemischen Sklerose, einer rheumatischen Erkrankung. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Forscher jetzt in der Fachzeitschrift „ Nature Communications“.
Störungen im Netzwerk von Autoantikörpern führen zu Immunerkrankungen
Riemekasten und ihr Team entdeckten, dass die Veränderungen im Antikörpernetzwerk charakteristisch für die jeweils untersuchte Krankheit sind. Zudem stehen sie im Einklang mit bereits bekannten Krankheitsmechanismen. „Unsere Arbeit schafft ein grundlegend neues Verständnis für die Entstehung von Krankheiten und kann das sehr enge und individuelle Zusammenspiel von Umwelt, genetischen Faktoren und Krankheitsentstehung erklären“, betont Riemekasten.
„In der in Nature Communications publizierten Arbeit haben wir ein Netzwerk von Autoantikörpern identifiziert, das Rezeptoren, Wachstumsfaktoren und Signalmoleküle in ihrer Funktion beeinflussen kann und bei jedem Menschen vorhanden ist“, erklärt die Rheumatologin. Die Autoantikörper haben eine steuernde Funktion auf die Immunzellen und scheinen empfindlich auf Umweltfaktoren wie Ernährung zu reagieren, die die Konzentration und Zusammensetzung der Autoantikörper beeinflussen. „Das Antikörpernetzwerk wird von Alter, Geschlecht und äußeren Faktoren beeinflusst und ist vor allem bei Krankheiten wie Alzheimer, Krebs oder bei rheumatischen Erkrankungen gestört“, so Riemekasten.
Für ihre Studie verglichen die Forscher Blutproben von Menschen mit Alzheimer, Eierstockkrebs und systemischer Sklerose mit denen gesunden Personen. Dabei wurde vor allem eine spezielle Gruppe funktioneller Autoantikörper, die so genannten GPCR-Autoantikörper, umfassend charakterisiert. „Die Funktion dieser Antikörper und auch ihre erkannten Strukturen legen nahe, dass sie direkt an der Entstehung dieser Erkrankungen beteiligt sind. Für einzelne Krankheiten ist dies bereits gezeigt worden“, berichtet Riemekasten. „Wenn es gelingt, die genauen Effekte der Antikörper auf ihre Rezeptoren zu entschlüsseln, könnten sich neue Behandlungsmöglichkeiten einer Vielzahl von Krankheiten ergeben.“
In zukünftigen Studien wollen die Wissenschaftler nun in Kooperation mit dem Forschungszentrum Borstel die Funktionen dieser Antikörper genauer untersuchen. Ziel ist dabei vor allem, ihren Nutzen für individualisierte Therapien herauszufinden.
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